Interview mit Priv.-Doz. Dr. Robert M. Eisele, Berlin

Schilddrüsenablation Berlin (SD): Herr Dr. Eisele, die Schilddrüsenablation ist ja noch ein vergleichsweise neues Behandlungsverfahren. Wie lange gibt es das schon?

Dr. R. Eisele (RE): Die ersten Erfahrungen werden seit 2009 aus Südkorea berichtet. Dort hat Dr. Baek in Seoul zum ersten Mal Ablationsbehandlungen an einer großen Zahl von Patienten durchgeführt. Nach den ersten guten Erfahrungen wurde 2012 in Frankfurt die erste Schilddrüsenablation durch Dr. Korkusuz durchgeführt. Etwa um diese Zeit bin ich selbst auch zum ersten Mal damit in Berührung gekommen. Inzwischen gibt es schon einige Zentren in Deutschland, und weltweit sind viele tausend Patienten damit behandelt worden.

SD: Erlauben die inzwischen gemachten Erfahrungen schon eine Beurteilung des Stellenwerts der Schilddrüsenablation in der Behandlung von Schilddrüsenknoten?

RE: Einerseits ja. Die Schilddrüsenablation wird inzwischen in einer standardisierten Technik durchgeführt und routinemäßig an verschiedenen Orten in der Bundesrepublik eingesetzt. Es gibt schon viele Erfahrungsberichte, die eine hohe Effektivität der Ablation bei bestimmten Schilddrüsenknoten bestätigt. Die dabei berichteten Nebenwirkungen werden als äußerst gering beschrieben. Aber andererseits blicken wir erst auf circa zehn Jahre Erfahrungen mit dieser Methode zurück, und deshalb fehlen uns noch Angaben über Langzeitergebnisse.

SD: Wie gefährlich ist die Schilddrüsenablation?

RE: Es gibt keinen absolut risikolosen Eingriff. Man muß sich vor Augen führen, daß an der Nadelspitze Temperaturen zwischen 70 und 80° C aufgebaut werden. Der Bereich, in dem diese Temperatur wirkt, ist aber streng umrissen und scharf begrenzt. Wir wissen, daß die Risiken viel kleiner sind als bei einer herkömmlichen Operation. Natürlich können dabei Komplikationen entstehen, die im Prinzip ganz ähnlich aussehen wie bei alternativen anderen Therapieformen, z.B. einer richtigen Operation mit Entfernung von Teilen der Schilddrüse, aber viel seltener auftreten. Die Ablation ist das sicherere Verfahren.

SD: Ist Ihnen schon einmal eine Komplikation passiert?

RE: Nein, nach einer Schilddüsenablation habe ich zum Glück noch keine Komplikation erlebt, und das soll auch so bleiben! (lächelt, klopft dabei auf die Tischplatte)

SD: Wenn man seine Ärztin oder seinen Arzt danach fragt, erhält man oft zur Antwort, daß diese Form der Behandlung hierzulande noch völlig unbekannt sei, und deswegen wird häufig davon abgeraten.

RE: Das ist leider richtig. Die Vorbehalte gegen die Schilddrüsenablation sind weit verbreitet und nicht leicht zu überwinden.

SD: Woran mag das liegen?

RE: Zum einen daran, daß die Schilddrüsenchirurgie in Deutschland sehr gut ist und in der Vergangenheit viele Patientinnen und Patienten mit großem Erfolg operiert werden konnten. Besonders meine chirurgischen Fachkollegen sehen nicht unbedingt die Notwendigkeit, eine neue Konkurrenzmethode zu unterstützen und dadurch weniger Patientinnen und Patienten zu operieren. Zum anderen wird natürlich noch abgewartet, wie sich die Ablation weiterentwickelt. Ich glaube, daß man sich vielerorts noch gar nicht bewußt ist, wie gut die Ergebnisse, die damit erzielt werden, schon heute sind. Da müssen wir auf jeden Fall noch mehr Aufklärungsarbeit leisten.

SD: Was würden Sie einem Kritiker der Methode gerne antworten?

RE: Nun, zuallererst haben wir ja ein gemeinsames Ziel, nämlich die bestmögliche Behandlung für unsere Patientinnen und Patienten zu finden, die da, wie ich finde, auch ein Wörtchen mitzureden haben. Die Komplikationsrate nach Schilddrüsenchirurgie liegt unter 4 %, das heißt aber bei mehr als 75.000 Schilddrüsenoperationen, die jedes Jahr in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden, immerhin noch, daß sich darunter an die 3.000 Menschen jedes Jahr in Deutschland mit schweren Komplikationen befinden, und nicht wenige davon erleiden bleibende Schäden wegen schlecht verheilender Wunden, breiter unschöner Narben oder Stimmveränderungen bis hin zur permanenten Heiserkeit. Jetzt ist es mit der Schilddrüsenablation möglich, einem Teil der Patientinnen und Patienten die Operation zu ersparen. Ich finde, daß man das den Patientinnen und Patienten auch so mitteilen und ganz offen mit ihnen über diese zusätzliche Option sprechen sollte.

SD: Und was sagen die Patienten?

RE: Die Resonanz, die ich bisher wahrgenommen habe, ist denkbar positiv. Die Patientinnen und Patienten haben sich meistens schon intensiv mit Ihren Befunden und den Untersuchungsergebnissen auseinandergesetzt und sind in der Regel recht gut informiert. Sie haben es verdient, daß man sie in einen Entscheidungsprozeß, bei dem es ja um nicht weniger als die Durchführung einer Operation geht, einbezieht und offen und aufgeschlossen die Vor-, aber auch Nachteile, die jede der alternativ zur Verfügung stehenden Methoden so mit sich bringt, auf den Tisch legt. Ich mache das persönlich auch so.

SD: Für wen ist die Schilddrüsenablation denn geeignet?

RE: Das hängt sehr vom Einzelfall ab. Generell kann man sagen, daß es sich bei einem gutartigen Knoten immer lohnt, nachzufragen, ob die Schilddrüsenablation nicht auch in Betracht käme. Wenn dagegen der Verdacht besteht, daß eventuell eine bösartige Erkrankung vorliegt, also bei Schilddrüsenkrebs, ist die Ablation heutzutage sicher noch kein empfohlenes Behandlungsverfahren. Mit den modernen Untersuchungsmethoden kann man mit großer Sicherheit voraussagen, ob es sich um einen gut- oder bösartigen Knoten handelt. Diese Frage muß also vorher geklärt sein.

SD: Wo kann sich denn ein Patient hinwenden, wenn es unsicher ist, ob bei ihm eine Ablation in Frage kommt?

RE: Wir stehen in unserer Praxis natürlich jederzeit für Fragen als Ansprechpartner zur Verfügung. Dann reden wir ausführlich und ehrlich über die vorliegenden Befunde und die Durchführbarkeit, Erfolgsaussichten, Risiken und Komplikationsmöglichkeiten der in Betracht kommenden Behandlungsoptionen. Daß die Patientin bzw. der Patient gut aufgeklärt ist, halte ich für die größte Erfolgsgarantie in der Medizin. Deswegen gibt es keinen Grund, nicht einfach mal nachzufragen und miteinander ins Gespräch zu kommen – so wie wir heute.

SD: Herr Dr. Eisele, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

RE: Bitte, gern geschehen.